Otze Ehrlich, Schleimkeim und der ganze Rest
Schleimkeim war eine der einflussreichsten Bands der ehemaligen DDR - und dies weit über Punk-Kreise hinaus. Die Biographie ihres Sängers Dieter "Otze" Ehrlich liest sich abenteuerlicher als jeder Roman. Sie spiegelt die ganze innere Zerrissenheit eines unangepassten Charakters in einem autoritären Staat wider. 1980 gründete Otze zusammen mit seinem Bruder Klaus in Erfurt die Punkband Schleimkeim. Es kam zu wenigen, aber legendären Auftritten, begleitet von Skandalen und Gefängnisaufenthalten. Nachdem Otze 1998 seinen Vater mit einer Axt erschlagen hatte, wurde er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo er 2005 unter ungeklärten Umständen ums Leben kam.
Als überaus begabter Musiker brachte Otze sich alle Instrumente selbst bei und konstruierte ein Aufnahmegerät, das sogar gut genug war für Plattenaufnahmen. Zugleich besaß er aber auch einen gewalttätigen, launischen Charakter, experimentierte mit Drogen, hatte Kontakte zur Stasi - anscheinend im Glauben, sowieso nichts Relevantes zu verraten - und war nach eigenen Aussagen mit Tod und Teufel im Bunde.
Frank Willmann und Anne Hahn, Herausgeber des viel beachteten Hooligan-Buchs "Stadionpartisanen", haben Dutzende von Zeitzeugen interviewt, Bandmitglieder, Freunde, Musikerkollegen, Pfarrer, Sozialarbeiter. Sie zeichnen ein vielschichtiges und ungeschöntes Bild dieses außergewöhnlichen Musikers und Menschen und liefern somit auch ein Stück DDR-Geschichte von innen.
Dabei erfährt man viel über die oppositionelle Szene der DDR, den von Repressionen geprägten Alltag und die Versuche der Kirche, der Gegenkultur einen Raum zu geben. Die Punk- und Underground-Bewegung der DDR wird anhand dieser ebenso aufregenden wie zum Teil katastrophalen Lebensgeschichte greifbar. Frank Willmann und Anne Hahn ist ein Zeitdokument gelungen, das Künstlerbiographie, Musik- und Sozialgeschichte zu einem Text verwebt, dessen Spannung kein Krimi toppen kann.
Erweiterte Neuauflage (2019)
Buch, 252 Seiten
Autor*innen: Arno Maierbrugger; Peter Stipkovics
Autor*innen: Abel Paz
Autor*innen: Helge Döhring