"Chaostheorie" und die Linke
Das Ziel jeder linken Bewegung ist die Veränderung der existierenden Verhältnisse zum Besseren. Um aber die Möglichkeiten, aber auch Grenzen von Veränderungen, ob in evolutionärer oder revolutionärer Form, besser zu verstehen, ist es unverzichtbar, die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Komplexitätsforschung zu verstehen.
Dabei gibt nur wenige Begriffe, die heutzutage so missverständlich benutzt werden wie "Komplexität" und "Chaos-Theorie". Welcher Anarchist weiß eigentlich, dass die Chaostheorie keineswegs das Chaos (im Sinne der Zufälligkeit oder Stochastik) untersucht, sondern die höchst verschiedenen Ergebnisse eines rein deterministischen Systems, dessen Ausgangsbedingungen verändert werden? Welcher Sozialist macht sich darüber Gedanken, dass in Denkfabriken der USA (und anderen Staaten) Ergebnisse der Netzwerktheorie schon längst eingesetzt werden, um revolutionsartige Bewegungen auszulösen oder auch solche zu unterdrücken? Einerseits bergen viele Ergebnisse dieser Denkrichtungen Chancen (und Gefahren) oder beinhalten ähnlich weitreichende Schlussfolgerungen für Ideologien. Andererseits können auch durch Unkenntnis Schlussfolgerungen gezogen werden, die in keiner Weise durch reelle Ergebnisse gedeckt werden.
Dass Systeme nicht statisch, sondern dynamisch, also in Bewegung sind, ist jedem Marxisten aus dessen Beschreibung der menschlichen Geschichte bekannt. Anarchisten haben schon lange über angenommene und beobachtete Selbstorganisationsphänomene nachgedacht. Linke sind im Grunde genommen Systemtheoretiker und Dynamiker der ersten Stunde.
In diesem Buch der Reihe "theorie.org" werden deshalb zunächst einige zentrale Ideen wie die der "Chaos-Theorie", der dynamischen Systeme oder Netzwerke entwickelt. Dabei werden, soweit wie möglich, Beispiele aus der Gesellschaftstheorie herangezogen. Danach wird der derzeitige Stand der Diskussion in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen dargestellt. Ein eigenes Kapitel soll einen Teil der bisherigen linken Diskussion darstellen, deren bisherigen Ergebnisse kritisch diskutiert werden.
Buch, 200 Seiten