Der Lebensweg Buenaventura Durrutis ist exemplarisch für die europäische Sozial- und Ideengeschichte in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Abel Paz beschreibt in Durruti einen unbeugsamen Rebellen, der stets ohne die Zeichen äußerer Autorität auskam, sein aufrührerisches Temperament jedoch ließ ihn in den Augen der Herrschenden schon früh zu einem der gefürchtetsten Arbeiteraktivisten auf der iberischen Halbinsel werden. Nachdem der ultrareaktionäre Kardinal von Saragossa Opfer eines Attentats wurde, verkörperte Durruti für den einflussreichen Klerus den Antichrist.
Indem diese Biographie konsequent den individuellen Lebensweg mit der kollektiven Realität der Arbeiter und Bauern verknüpft, gelingt ihrem Autor eine einzigartige Innenansicht der sozialen und politischen Situation Spaniens. Dieser Blick von unten führt in Fabriken, Gefängnisse, abgelegene Dörfer und Verbannungsorte, zeigt das Alltagsleben, veranschaulicht die Vorstellungen und Diskussionen der anarchistischen Revolutionäre und lässt die ganze dramatische Atmosphäre von Streiks, Aufständen und heroische Aktionen intensiv vor der Leserschaft entstehen.
Wir lesen von Durrutis Fluchten, von seinem Leben im Untergrund und von seinen Zeiten des Exils. Wir sehen ihn mit seinen Weggefährten in Frankreich und in Belgien, als Guerillero in Latainamerika und auch auf Kuba. Schließlich beschreibt und analysiert der Autor jenen kurzen Sommer der Anarchie, die soziale Revolution innerhalb des spanischen Bürgerkriegs, als der libertäre Sozialismus in den Fabriken und landwirtschaftlichen Kollektiven 1936 für einen historischen Augenblick lang sein konstruktives Gesicht zeigen konnte.
Durrutis Tod bei der zähen Verteidigung Madrids gegen die vorrückenden Franco-Truppen stellt bis heute ein Rätsel dar. Die verschiedenen Versionen dieses für die Geschichte des spanischen Bürgerkrieges so bedeutsamen Ereignisses bilden den Schluss des Buches.
"Warum Durruti nie die Bekanntheit eines Ernesto Che Guevara oder einer Rosa Luxemburg erreicht hat, warum er in gewisser Hinsicht immer noch unter Francos und Stalins Schatten als Gespenst herumgeistert, ist mir nur durch seine extreme Kompromisslosigkeit gegenüber den Institutionen der Macht erklärlich. [...] Ich wünschte mir sehr, dass diese erfrischende Kompromisslosigkeit der spanischen Revolutionserfahrung und ihr Streben nach Glück dazu anregt, heute über die Formen der kommunitären Selbständigkeit in einer Welt aus regionalen Produktionseinheiten, einer dezentralen, aber vernetzten Globalität nachzudenken." (Hanna Mittelstädt)
Buch, 704 Seiten